»Sigrid Wiesmann zum 60. Geburtstag gewidmet«
Besetzung: für zwei Klaviere oder für Celesta und Klavier
Aufführungsdauer: ca. 2'30''
Uraufführung: am 21. Dezember 2005 im ASC
Erschienen bei Edition Contemp Art (Verlagsgruppe Hermann),
erhältlich über www.schott-music.com
Bestellnummer: VGH 1167-70
Notizen zum Werk:
Die österreichische Musikwissenschaftlerin Sigrid Wiesmann stand dem Ensemble Wiener Collage seit seiner Gründung in den späten 1980er Jahren nahe. Ich wurde daher im Spätsommer 2001 gebeten, einen musikalischen Beitrag zu einer Festschrift für Sigrid Wiesmann »Zeit-Wart / Gegen-Geist« aus Anlass ihres 60. Geburtstags zu verfassen.
Das Resultat der Arbeit erscheint wie ein Modell einer erstmals in meinen Bagatellen auf den Namen György Ligeti op. 14/3a verwendeten Kompositionsweise, in der Temporelationen und sich daraus ergebende rhythmische Muster, aber auch Kombinationen verschiedener harmonischer Dispositionen ein und desselben Akkords wichtige Komponenten darstellen.
Die Grundidee des Werks ist einfach: Die musikalischen Buchstaben des Namen Sigrid Wiesmann in zwei verschiedenen harmonisierten Gestaltungen und den jeweils zugehörigen Formen (Krebs, Umkehrung, Umkehrungskrebs) werden in drei verschiedenen Transpositionen ganz, in einer vierten zu drei Viertel (quasi als Coda) abgespielt. Insgesamt erscheinen die musikalischen Buchstaben des Namens SiGriD wiESmAnn 60mal, sozusagen also ein Geburtstagsständchen.
Die Ausführung jedoch ist komplex, denn der Ablauf folgt nicht etwa simplen Variationsprinzipien (wie man zunächst meinen möchte), sondern den Teilungsverhältnissen 2:3:5, die die Relationen der einzelnen Tempi bestimmen. Daher ergab sich auch die Notwendigkeit, jeder einzelnen der 60 musikalischen Namensnennungen analog zu den eigenen Tempi auch einen eigenen Charakter und damit eine eigene Gestalt zu geben. So beträgt das erste Grundtempo Viertel = 60, das zweite Viertel = 90 und das dritte Viertel = 150. Die drei Grundtempi geben dann den drei Teilen ihre Dauer vor. Innerhalb jedes Teils ergeben sich aus dem Grundtempo andere Tempi in denselben Verhältnissen, die jedoch nicht mit den drei Grundtempi ident sind. Die Coda schließlich spielt nur mehr mit den Grundtempi.
Daraus ergibt sich eine Form, die nichts mit Expositionen oder Reprisen im klassischen Sinn zu tun hat, sondern drei verschiedene Prozesse darstellt, deren Coda dann die Summe aus den daraus gewonnenen Resultaten zu ziehen sucht.
Sigrid Wiesmann war Leiterin einer beratenden musikwissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Ensembles Wiener Collage. Sie verstarb tragischerweise bei einem Autounfall im Dezember 2001 in Tirol kurz nach ihrem 60. Geburtstag. Somit wurde dieses kurze Stück auch zu einer Gedenkmusik an eine liebe Freundin nicht nur des Ensembles, sondern der neuen Musik generell. {René Staar, 2001}
Anmerkung zur Ausführung: Das Material war zunächst in vielen verschiedenen Instrumentierungen denkbar. Aus Zeitgründen war es jedoch nur möglich, eine Fassung auszuarbeiten. Das Stück kann entweder von Celesta und Klavier ausgeführt werden, oder von zwei Klavieren. Nachdem die Celesta oktavierend notiert ist, ist der alternative Part Klavier I ebenfalls oktavierend gedacht, muss also ebenfalls eine Oktave höher als notiert klingen. Diese Instrumentierung der bislang einzigen Realisation des Materials wurde nicht zuletzt aufgrund der Nähe zum Weihnachtsfest gewählt: es könnte auch als eine Art Adventmusik gelesen werden.