»for Izumi Tateno«

Auftragswerk des Izumi Tateno Fund for the Left Hand Library

Besetzung: für Klavier linke Hand
Aufführungsdauer: ca. 28 Minuten

 

I    Introduction - Vivo
II   Andante malinconico
III  Quasi Fantasia

 

Meine dreisätzige Sonate für Klavier linke Hand geht – wie bereits mein 2015/16 geschriebenes Werk L’homme sans avenir op. 22k quater für Klavier zu vier Händen – von der Idee aus, pedalisierte und trockene, pedal-lose Klänge gegenüber zu stellen und diese Kontraste durch dynamische Akzente weiter zu verschärfen. Inspiriert von der Vitalität der Sonaten von Prokofjew und Bartók entstehen die meisten motivischen Strukturen und musikalischen Gedanken gleichsam zwischen jenen Teilen, die mittels einer durchgehenden Pedalisierung merkwürdig verschlüsselt erklingen.

So entwickeln sich sowohl die Haupt- und Seitengedanken des ersten Satzes nach einleitenden durchpedalisierten Klangebenen, deren extreme Tonhöhenkontraste sich rasch in sich zusammenziehen und durch einige gebrochene Fünfklänge abgeschlossen werden. Wörtliche Analogien und Sequenzen bestimmen den Fortgang des (ansonsten der klassischen Sonatenform folgenden) ersten Satzes – wie denn auch die Dimensionen des Werks jenen großer klassischer Sonaten des Beethoventypus folgen. Wobei hier jedoch Unterschiede der Bewegungsart und in der Klangschärfe die Verarbeitung der musikalischen Gestaltung dominieren und im weiteren Verlauf das Moment der wellenförmigen Bewegung zunehmende Bedeutung erhält.

Die Nutzung des gesamten Tonraums des Klaviers in rhythmisch bestimmten weiten Sprüngen wird im Hauptsatz des ersten Satzes mit kleinen, in derselben Lage ausgeführten Zwischenspielen kontrastiert, deren Hauptaufgabe es aber ist, immer wieder zur Weite des ursprünglichen Klangraums zurückzukehren. Intimer ist der terzlastige Seitensatz, der sich aus einer variiert sequenzierenden Zelle heraus entwickelt und sich in immer neuem harmonischen Gewand präsentiert.

Um sich abzeichnenden übergroßen Dimensionen des Werks vorzubeugen, entschloss ich mich, Durchführung und Reprise insofern zu straffen, als ich in der Durchführung nur den Hauptsatz verarbeitete und sich die Reprise fast zur Gänze mit dem Seitensatz alleine begnügen muss; einer Reprise, die sich in eine sich metamorphosenhaft wandelnden raschen, drei Akkorde umfassenden accellerierenden Bewegung auflöst, sozusagen als Hauptmotiv der Coda, die als Reminiszenz des Hauptsatzes wiederum in einem durchpedalisierten Endklang aufgelöst wird.

Der große Bogen, der sich durch diese letzte formale Einheit über den ganzen ersten Satz erstreckt, erfährt eine Parallele im letzten Satz, der ebenfalls von großen, durchgehend pedalisierten Gestalten umrahmt wird. Doch ist es hier nicht der Richtungswechsel, sondern die Idee auf- und absteigender harmonischer Strukturen, die das Geschehen bestimmen.

Kontrastiert werden diese großen Wellen durch eine Reihe von nervös-rhythmischen kleingliedrigen Teilen mit erkennbaren Anklängen an Marsch oder Habanera. Diese Anordnung erinnert an die Rondoform, die so oft den Kern der Abschlusssätze der klassischen Sonate des 18./19. Jahrhunderts bildete. Das Ineinanderweben klar strukturierter »Nebensätze« in den allgemeineren Duktus der Wellen lässt mich jedoch eher den Gedanken an eine Fantasie (deshalb auch der Titel »Quasi Fantasia« im dritten Satz) apostrophieren. Noch dazu, als in einer Art Zäsur inmitten des Satzes ein kadenzartiger Abschnitt nach einem Neuansatz innerhalb der Konzeption des Satzes strebt. Dieses Mittel wird auch am Ende des zweiten Satzes angewendet, doch ist es hier eher als Überleitung zum attacca folgenden letzten Satz zu verstehen. In diesem »Andante malinconico« prägen leere Quinten und Quarten das immer wieder unterbrochene neue Ansetzen einer weit ausholenden zweistimmigen melodischen Linie.

Es war mein Bestreben, den Fluss des Werks durch eine alle Ebenen der kompositorischen Arbeit durchdringende harmonische Stimmführung zu determinieren, ohne jedoch überraschende Wendungen vorwegzunehmen, wobei ich durch Aufsplittung die dem Stück zugrundeliegenden Fünfklänge so gut es ging zu maskieren suchte. Die Übernahme der Sonatenform war mir dabei dienlich, den harmonikalen Prozessen erkennbare Strukturen zu verleihen.

Wie denn auch dieses erste Werk aus meiner Feder, dem ich die Bezeichnung »Sonate« gebe, natürlich eine Reverenz an das große Erbe einer musikalischen Form ist, die so stark vom Gestaltungswillen Beethovens geprägt ist und deren Sogkraft auch in Werken des 20. Jahrhunderts spürbar wird, namentlich in den bereits erwähnten Sonaten von Bartók und Prokofjew. Meine eigenen kindlichen, unveröffentlichten frühen Versuche auf diesem Gebiet (die ich bereits frühzeitig entsorgt habe) führten mich immer wieder zur Auseinandersetzung mit dieser Form, die so faszinierend einfach wie komplex Wiederholungsstrukturen innerhalb eines Werks einen konzisen Halt zu geben vermögen, der jedoch gleichzeitig auch ungeahnte Möglichkeiten der Freiheit in sich birgt. Deshalb glaube ich auch, dass diese Form auch in Zukunft noch viel Spielraum für neue Werke bieten wird, auch wenn diese weder den ursprünglichen harmonischen Rahmenbedingungen mehr folgen, noch klanglich oder rhythmisch Ähnlichkeiten mit Sonaten der Vergangenheit haben und wahrscheinlich auch viel fantasievollere Namen als »Sonate« tragen werden. Für mich selbst ist daher die Auseinandersetzung mit einer scheinbar obsoleten Form keine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern eine immer wieder aufs Neue faszinierende und packende Möglichkeit der Fokussierung auf gewisse gestalterische Prinzipien in einer auch für Außenstehende fasslichen Form.